Moritz

Moritz war der erste Hund im meinem Leben. Ich bin auf dem Bauernhof meiner Eltern aufgewachsen - nun - bis zum 8 Lebensjahr.

All das ist schon sehr lange her - ich gehe so langsam auf das Rentenalter zu - deshalb möge man mir verzeihen, wenn alle diese Erinnerungen nicht mehr so ausführlich aus meiner Tastatur fließen wie die der letzten Jahre. Ich denke jedoch, damit bin ich nicht alleine auf dieser Welt.

Wir hatten einen Hof in einem kleinen Dorf in der Nähe von Greifswald. Als ich 8 Jahre alt war flüchteten wir aus der ehemaligen DDR.

Moritz war ein Schäferhund/Collie Mix. Er war unser Hofhund - bewachte alles und behütete auch alles - bis ich laufen konnte. Da wich er nicht mehr von meiner Seite. Er übernahm einen großen Teil meiner Erziehung und brachte mir bei, was Treue und Freundschaft bedeuten. Mein Vater baute mir einen kleinen Leiterwagen und ein Geschirr für Moritz. Der zog mich treu die Dorfstrasse hoch und runter.

Moritz begleitete mich durch den ganzen Tag.

Und beschütze mich, wenn ich für irgendeinen Unsinn bestraft werden sollte.

Ich erinnere mich noch, wie ich die Pferde in unserem Stall ärgerte und meine Mutter nur knapp den Hinterhufen eines auskeilenden Hengstes entging. Als es dann eine Ohrfeige gab, hatte sie jedoch die Rechnung ohne Moritz gemacht. Obwohl bereits etwas älter und mit nicht mehr ganz so vielen Zähnen wie ein Junghund, kniff er ihr in die Wade und so mußte sie von mir ablassen.

Moritz war der erste Freund und Beschützer in meinem Leben. Sein Schutzinstinkt war für ihn jedoch auch sein Ende. Er ließ sich auf ein Gefecht mit der Dogge von Nachbargehöft ein, die in sein Revier eingedrungen war. Die Dogge war noch jung und stärker als Moritz.

So erlag mein treuer Freund den Folgen dieses Kampfes - und ich fühlte mich das erste Mal in meinem Leben einsam. Ich hatte einen Begleiter verlohren, der den Tag strukturiert hatte und mir Dinge beigebracht hatte, die mich kein Mensch hatte lehren können.

 

Wolf

Da wir wieder einen "Hofhund" brauchten, suchte mein Vater nach einem Welpen bei den benachbarten Bauern. Einer hatte eine Schäferhundin, die einen Wurf hatte. Da es im Umkreis keine Schäferhunde gab, jedoch vereinzelt Wölfe, mußte sie sich, als sie läufig war, wohl mit einem Wolf eingelassen haben.

Der Welpe, den wir bekamen, hatte wenig vom Vertrauen kleiner Hundewelpen. Auch war die Kopfform eher die eines Wolfes und weniger die eines Schäferhundes. Hinzu kam, daß mein Vater ihn an der Kette halten wollte. Ich verstand die Welt nicht mehr. Hatte ich doch bisher Hunde als die Freunde des Menschen kennengelernt. Dieser Hund war anders. Ich versuchte Vertrauen zu ihm aufzubauen. Löste ihn von der Kette und langsam kam er zu mir und ließ sich streicheln. Meinem Vater war das garnicht recht.

An einem Tag im Herbst, die Sonne stand tief, ging ich mit meiner Größmutter und dem Junghund an meiner Seite richtung hintere Stallungen. In der Nähe lag ein Haufen Bauschutt und irgendetwas reflektierte plötzlich die Sonne so daß sich der Hund erschrak - mich und meine Großmutter umriss. Wir landeten beinahe in einer Güllegrube. Der Hund verschwand panikartig über die Felder in den nahen Wald.

Mein Vater war stinksauer und es gab natürlich eine Ansage. Am nächsten Morgen sah ich, wie unser "Wolfshund" langsam über die Felder in Richtung Hof kam - die Rute eingezogen - wirkte er ängstlich und verloren.

Was nun passierte, hat mich zutiefst erschüttert. Mein Vater strafte ihn mit Schlägen und legte ihn wieder an die Kette. Mein mühsam aufgebautes Vertrauen war dahin. Ich war 6 Jahre alt - kurz vor der Einschulung - doch wußte ich genau, daß das Verhalten meines Vater falsch war. Es tat mir so leid um diese arme Kreatur. Ich konnte jedoch nichts machen. Er ließ micht nicht mehr an sich heran.

So sah ich ihn immer nur von weitem und hatte dann auch andere Kinder aus der Schule zum spielen. Nach knapp zwei Jahren flüchtete unsere Familie auf verschiedenen Wegen aus dem Land hinter der Mauer. Der Wolf blieb zurück.

Es begann eine lange Zeit ohne Hunde. Heute weiß ich - eine Zeit, in der mir viel fehlte.

 

Sissi

Meine Eltern begannen in "Westdeutschland" neu. Arbeiteten und bauten schließlich nach einigen Jahren ein Haus.

Dann kam hier der erste Hund ins Haus - ein Langhaardackeldame. Stur wie ein Maulesel - schnell wie ein Wiesel und sehr schlau. Und diese Hündin - Sissi - war wieder an meiner Seite - wollte mir, dem Menschen nahe sein. Sie freute sich immer ihre kurzen Beine ab, wenn ich nach Hause kam. Oft schlief sie am Fußende meines Bettes und da durfte sie niemand vertreiben - dann wurde sie zur Furie. Diese kleine Hündin hatte ihr Umwelt fest im Griff. Sie lebte lange im Haus meiner Eltern und hatte das ganze Haus als ihr Territorium. Da ließ sich sich auch nicht von Besucherhunden irritieren. Da bekamen auch großere Hunde ihr Fett ab.

Obwohl sie regelmäßig geimpft war, erkrankte sie an Staupe. Hatte große Probleme beim Atmen und hat auch nichts mehr gefressen. Ich habe sie dann mit Hühnerbrühe gefüttert. Die lehnte sie nicht ab. Der Tierarzt konnte nicht mehr helfen. Eines Abend bemerkte ich ihre Schnappatmung und dann hörte sie ganz auf zu atmen. Ich habe sie dann ganz klassisch reanimiert mit Herzmassage und "Mund zu Schnauze Beatmung". Sie kam dann wieder, atmete wieder und hat auch ihre Umwelt wieder wargenommen. Leider war die Infektion wohl bereits so weit fortgeschritten, dass sie dann am folgenden Tag eingeschlafen ist.

Die Trauer war groß, nicht nur bei mir - auch bei meiner Mutter, die auch eine starke Beziehung zu der Hündin hatte.

Das Thema Hund wurde dann lange nicht mehr angesprochen. Bis einige Wochen vor dem Geburtstag meiner Mutter.

Tini

Nicht unweit vom Wohnort meiner Eltern gab es eine Bauern, der Langhaardackel züchtete. Die Idee meiner Schwester und mir war, meiner Mutter zum Geburtstag eine kleine Dackelhündin zu schenken. Wir wussten beide, dass meine Mutter sehr unter dm Hinscheiden von Sissi gelitten hat. Nur waren jetzt ja bereits einige Jahre ins Land gegangen und wir dachten, dass unsere Mutter die Hündin annehman würde.

Sie konnte garnicht anders - als dieser kleine Welpe auf sie zugelaufen kam und vor Aufregung gepieselt hat. Da waren alle Dämme gebrochen und sie wurde zum Vollmitglied unserer Familie. Aber auch diese kleine Hündin hat sich wohl gesdacht, in meiner Nähe zu sein wäre das Grösste. Auch sie mußte an meinem Fußende schlafen. aus dem Bett nehmen - wie mein Vater es mal versucht hat - war eine doofe Idee. Wer schon mal Dackelzähne in der Hand hatte, weiss, wovon ich rede.

Da ich nicht mehr im Haus meiner Eltern lebte, jedoch häufiger zu Besuch kam, wurde ich jedoch immer sofort von Tini belegt. Sie hatte so eine Spleen. Setzte sich immer neben mich auf ihr Hinterteil, wenn ich nicht aufmerksam genug war, und wedelte mit ihren Vorderbeinen in der Luft herum. Nein - das konnte niemand übersehen - egal ob man nur so irgendwo saß oder beim Essen war. Und sie war schlau. Eine Freundin meiner Mutter hatte zwei Doggen. Als sie mal zu Besuch kam hielt sie die beiden jedoch an der Leine. Tini bemerkte sehr schnell den eingeschränkten Bewegungskreis der Beiden. Schnaptte sich einen ihrer Bälle und ließ ihn gerade so weit zu den beiden rollen, dass sie noch nicht drankamen. Dann holte sie sich den Ball wieder und trollte sich stolz von dannen, wohl wissend dass die beiden kurz vorm Platzen waren. Hat sie jedoch nicht ansatzweise beeindruckt.

Eben eine Dackelhündin erster Sorte.

Auch sie wurde recht alt. Sie baute dann jedoch auf einmal stark ab. Beim befühlem bemerkte ich dann einige Knoten in ihrem Bauch, die schnell wuchsen und ihr auch Schmerzen bereiteten. Der Gang zum Tierarzt war schwer. Ich konnte nicht mit hineingehen - das musste meine Schwester für mich machen. Auch hier habe ich lange und tief getrauert.

Wieder folgte eine lange Zeit ohne einen treuen Begleiter an meiner Seite.

Bis dann die beiden, denen ich diese Seite gewidmet habe, in mein Leben traten.